LG München: Focus Siegel „TOP-Mediziner“ irreführend | 13.02.2023 (Az. 4 HKO 14545/21)

Urteil der Woche
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Der Focus verleiht einmal jährlich ein sogenanntes “Ärzte-Siegel”. Das Siegel erwecke fälschlicherweise den Eindruck sachgerechter Überprüfung der Mediziner, weshalb das LG München die Vergabe nun als irreführend einstufte.1

Worum ging es?

Einmal im Jahr erscheint das Magazin „Focus Gesundheit“ unter dem Titel „Die große Ärzteliste“. Die Ausgabe 2022 trug etwa den Titel „Deutschlands TOP-Ärzte. Hier finden Sie 4155 heraufragende Mediziner für 122 Erkrankungen und Fachbereiche“. Die Ärzte/Ärztinnen selbst erhalten von Focus unter anderem ein „TOP-Mediziner“-Siegel verliehen.

Das Landgericht München stellte klar, dass solche Listen zwar grundsätzlich erlaubt sind. Allerdings erwecken die Siegel den Eindruck, dass die als „TOP-Mediziner“ oder „Focus-Empfehlung“ bezeichneten Ärzte/Ärztinnen „aufgrund einer neutralen und sachgerechten Prüfung ausgezeichnet wurden und dadurch eine Spitzenstellung unter den Ärzten/Ärztinnen gleicher Fachdisziplin einnehmen“.

Die sei jedoch nicht der Fall. Vielmehr erwerben die Ärzte/Ärztinnen die Siegel gegen eine sogenannte Lizenzgebühr entgeltlich. Überdies beruhe die Bewertung der Ärzte maßgeblich auf ausschließlich subjektiven Elementen, wie etwa die Kollegenempfehlung oder die Patientenzufriedenheit.

Das Landgericht München gelangte deshalb zum Ergebnis, dass der Focus durch die Vergabe der Siegel gegen das lauterkeitsrechtliche Irreführungsverbot verstoße. Es hat der Unterlassungsklage eines Verbraucherschutzverbands hinsichtlich der Verleihung und Publizierung sogenannter „Ärzte-Siegel“ gegen Focus stattgegeben.

Noch nicht das Ende für Focus

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. In einem eigenen Statement ließ der Verlag verkünden, dass es das „Urteil mit seiner sehr knappen Begründung für falsch“ erachte und hat Berufung angekündigt.2

Bedeutung für andere “TOP-”Siegel

Es gibt unzählige Qualitätssiegel am Markt. Sehr beliebte und gängige Siegel sind etwa „TOP-Arbeitgeber“ und „TOP-Berater“. Allein Focus vergibt über 20 verschiedene FOCUS-Siegel. Nach eigenen Angaben des Verlags kennzeichnen die Siegel Experten und Unternehmen, die zur Spitze ihres jeweiligen Fachbereichs und ihrer Branche gehören.

Vor dem Hintergrund des oben dargestellten Urteils des LG Münchens dürfte ein Verstoß gegen das lauterkeitsrechtliche Irreführungsverbot auch bei vielen anderen “TOP-”Siegeln nicht von der Hand zu weisen sein. Immerhin lassen sich die Siegel oft mit wenigen Mausklicken käuflich erwerben.

Diesbezügliche Rechtsprechung existiert bislang nicht. Die Maßstäbe des LG München zugrunde gelegt ist jedenfalls ein Prüfverfahren einer neutralen und fachkundigen Stelle anhand objektiver Kriterien unabdingbar. Letztendlich erfordert jedoch jedes “TOP-”Siegel für sich eine Einzelfallbewertung. Nichtsdestotrotz wird das Berufungsverfahren im oben angesprochenen “TOP-Mediziner”-Fall richtungsweisend für die rechtliche Zulässigkeit und zukünftige Bedeutung solcher Siegel sein.

Insgesamt sollten Siegel wie “TOP-Arbeitgeber” und “TOP-Berater” stets kritisch hinterfragt und beachtet werden, dass ein Siegel allein nicht ausreicht, um die Qualität eines Arbeitgebers, Arztes oder Beraters usw. zu bewerten.


Quellen:
1 LG München I, Endurteil v. 13.02.2023 – 4 HK O 14545/21 – Bürgerservice
2 https://focus-arztsuche.de/magazin/ueber-uns/eigener-sache

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