Haben Geschäftsführer Kündigungsschutz? – Die Rechtsstellung bei Betriebsübergang

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Dieser Artikel beantwortet Ihnen folgende Fragen:

Unterliegen Geschäftsführer:innen dem Kündigungsschutz gemäß dem KSchG?
Wann wird § 613a BGB auf Geschäftsführer:innen angewendet?
Welche Rolle spielt dabei die Differenzierung von Arbeits- und Dienstverträgen?

BAG 20.07.2023 (Az. 6 AZR 228/2) In der Unternehmensführung ist die Position von Geschäftsführer:innen von zentraler Bedeutung, doch ihre rechtliche Stellung wirft oft komplexe Fragen auf. Insbesondere, wenn es um den Kündigungsschutz von Geschäftsführern beim Betriebsübergang geht, stellen sich rechtliche Aspekte, die sowohl für Geschäftsführer:innen als auch für Unternehmensinhaber:innen von großer Relevanz sind.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) sah sich kürzlich mit zwei zentralen Fragen bezüglich der rechtlichen Stellung von Geschäftsführer:innen konfrontiert und musste diese gründlich prüfen.

Was war geschehen?

Im vorliegenden Fall war ein Mitarbeiter seit September 2000 bei einer GmbH in der Position eines kaufmännischen Angestellten tätig. Im Dezember 2013 erfolgte seine Bestellung zum Geschäftsführer.

Als im Oktober 2019 das vorläufige Insolvenzverfahren eröffnet wurde, übernahm eine Tochtergesellschaft der Unternehmensgruppe den Geschäftsbetrieb der Firma. Der Insolvenzverwalter kündigte dem Geschäftsführer aus betriebsbedingten Gründen. Als Reaktion darauf legte dieser einen Tag später sein Amt als Geschäftsführer nieder.

Der Kläger wehrte sich gegen die Kündigung und klagte auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung und den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses. Er betonte, dass die Ausnahme für leitende Angestellte gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG, also Geschäftsführer, nicht zutreffe, da er das Amt des Geschäftsführers niedergelegt habe – und damit „nur“ noch Arbeitnehmer gewesen sein.

Darüber hinaus argumentierte er, dass sein Arbeitsverhältnis aufgrund eines Betriebsübergangs auf den neuen Inhaber übergegangen sei. Daher dürfe dieser ihn gemäß § 613a Abs. 4 BGB nicht kündigen.

Das Arbeitsgericht hatte der Klage zunächst stattgegeben. Jedoch hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm aufgrund der Berufungen der Beklagten die Klage abgewiesen, so dass die Sache schließlich beim BAG landete.

Das sagt das BAG

Das BAG musste sich mit zwei grundlegenden Fragen auseinandersetzen.

1. Gilt das Kündigungsschutzrecht für Geschäftsführer:innen?

Die erste Frage drehte sich darum, ob Geschäftsführer:innen die Schutzregeln des Kündigungsschutzgesetzes  (KSchG) gemäß §§ 1 ff. beanspruchen können.

Das KSchG, das die Voraussetzungen und Bedingungen für rechtmäßige Kündigungen festlegt, gewährt Arbeitnehmenden einen rechtlichen Schutz vor ungerechtfertigten Kündigungen durch ihre Arbeitgeber:innen. Es legt insbesondere fest, dass Kündigungen sozial gerechtfertigt sein müssen und bestimmte Kündigungsgründe erfordern.

Ausnahmen für Geschäftsführer:innen

Das KSchG gilt grundsätzlich für alle Unternehmen mit in der Regel mehr als zehn Beschäftigten. Allerdings gibt es Ausnahmen für bestimmte Personengruppen, wie leitende Angestellte oder geringfügig Beschäftigte, die nicht unter den Anwendungsbereich des KSchG fallen.

Dazu gehören nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG auch Geschäftsführer, einschließlich des Klägers in diesem Fall.

§ 14 Angestellte in leitender Stellung (KSchG)

(1) Die Vorschriften dieses Abschnitts gelten nicht
1. in Betrieben einer juristischen Person für die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist,
2. […]

Die Meinung des BAG

Das BAG kam zu dem Ergebnis, dass der Kläger sich nicht auf den Kündigungsschutz des KSchG berufen kann. Gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG gelten die Vorschriften des KSchG nicht für Organe juristischer Personen. Zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs war der Kläger jedoch noch Geschäftsführer. Die Wirksamkeit des Niederlegungsschreibens spielte keine Rolle, da es erst nach dem Zugang der Kündigung versandt wurde. Auch die Tatsache, dass das Anstellungsverhältnis des Klägers ein Arbeitsverhältnis war, hinderte die Anwendung von § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG nicht.

Diese Regelung gilt unabhängig davon, ob es sich um einen Arbeits- oder Dienstvertrag handelt.

2. Anwendung von § 613a BGB auf Geschäftsführer?

Der Betriebsübergang

Gemäß § 613a BGB werden bei einem Betriebsübergang die neuen Arbeitgeber:innen verpflichtet, sämtliche bestehenden Arbeitsverhältnisse zu übernehmen, wodurch die Rechte und Pflichten der Arbeitnehmenden unverändert bleiben. Der Schutz nach § 613a BGB erstreckt sich dabei auf alle Arbeitnehmer:innen. Der neue Inhaber tritt also automatisch in die Position des alten Arbeitgebers in Bezug auf die bestehenden Arbeitsverhältnisse ein.

§ 613a Rechte und Pflichten bei Betriebsübergang (BGB)

(1) Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. […]

Wenn ein Betriebsübergang stattfindet, müssen also die neuen Arbeitgeber:innen die bestehenden Arbeitsverhältnisse gemäß § 613a BGB fortsetzen.

Rechtlicher Status des Geschäftsführers

Um zu klären, ob § 613a BGB auf Geschäftsführer:innen Anwendung findet, ist es entscheidend, den rechtlichen Status von Geschäftsführer:innen zu verstehen. Ein oder eine Geschäftsführer:in kann sowohl Arbeitnehmer:in als auch Organ der Gesellschaft sein, abhängig von der rechtlichen Struktur und den Vereinbarungen im Arbeitsvertrag.

Ein oder eine Geschäftsführer:in wird als Arbeitnehmer:in betrachtet, wenn er oder sie einen Arbeitsvertrag mit der Gesellschaft hat. In der Praxis ist dies jedoch nicht immer der Fall. Der Regelfall ist vielmehr, dass der Geschäftsführer aufgrund eines Dienstvertrags mit der Gesellschaft verbunden ist.

Liegt jedoch ein Arbeitsvertrag vor, unterliegen die Geschäftsführer:innen den arbeitsrechtlichen Bestimmungen, einschließlich Kündigungsschutz und anderer arbeitsvertraglicher Regelungen.

Zusätzlich zum Arbeits- oder Dienstvertrag kann noch eine Bestellung als Organ der Gesellschaft erfolgen. Die Geschäftsführer:innen haben dann (zusätzlich) eine leitende und gesetzliche Vertretungsfunktion.

Die Ansicht des BAG

Das LAG Hamm entschied in vorherige Instanz, dass § 613a BGB auf Geschäftsführer:innen keine Anwendung findet. Das BAG widersprach dieser Auffassung. Es betonte die Notwendigkeit einer klaren Unterscheidung zwischen der Organbestellung und dem zugrunde liegenden schuldrechtlichen Anstellungsverhältnis, also dem Arbeitsverhältnis.

Entscheidend ist, ob dieser rechtlichen Verbindung ein Arbeitsverhältnis oder ein Dienstverhältnis zugrunde liegt. Falls es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, genießt der oder die Geschäftsführer:in – in der Position als Arbeitnehmender – bei einem Betriebsübergang Schutz vor einer Kündigung.

Im Ergebnis hat also der oder die Geschäftsführer:in, welche ein Arbeitsvertrag hat, im Falle eines Betriebsübergangs aufgrund der Übertragung des Arbeitsverhältnisses Anspruch darauf hat, weiterhin beschäftigt zu werden. Jedoch besteht kein Anspruch darauf, weiterhin die Position des Geschäftsführerenden einzunehmen. Gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB werden nur Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis auf den neuen Inhaber übertragen. Da die Position als Geschäftsführer:in jedoch nicht direkt aus dem zugrunde liegenden Arbeitsverhältnis resultiert, erfolgt keine automatische Übertragung dieser Organstellung im Falle eines Betriebsübergangs.

Ausblick auf die Fortsetzung des Rechtsstreits

Das BAG hatte zwar seine Ansicht zu den beiden Kernfragen kundgetan, konnte jedoch kein abschließendes Urteil sprechen. Es wies den Rechtsstreit an das LAG zurück. Dies hat folgenden Hintergrund: Das LAG hatte zuvor angenommen, dass der Kläger als Geschäftsführer nicht unter den Anwendungsbereich von § 613a BGB fällt. Daher hatte es das Kündigungsverbot des § 613a Abs. 4 BGB nicht geprüft. Nun muss das LAG diesen Aspekt nach der Zurückweisung des BAG überprüfen. Das endgültige Urteil steht also noch aus.

Bewertung für die Praxis

Die rechtliche Stellung eines Geschäftsführers oder einer Geschäftsführerin hängt davon ab, ob er oder sie auf Basis eines Arbeitsvertrags oder eines (Geschäftsführer-)Dienstvertrags tätig ist. Ist der oder die Geschäftsführer:in auf Grundlage eines Arbeitsvertrags beschäftigt, geht dieses Arbeitsverhältnis im Falle eines Betriebsübergangs auf den Erwerber über. Ein solcher Übergang ist nur dann ausgeschlossen, wenn der oder die Geschäftsführer:in auf Basis eines Geschäftsführerdienstvertrags tätig ist, was in der Praxis der Regelfall ist.

Die rechtliche Stellung des Geschäftsführers oder der Geschäftsführerin ist dagegen irrelevant, wenn es um die Frage geht, ob er sich auf den Kündigungsschutz nach §§ 1 ff. KSchG berufen kann. Sobald ein oder eine Geschäftsführer:in zum Organ der Gesellschaft ernannt wird, verliert er oder sie die Möglichkeit, sich auf den Kündigungsschutz zu berufen. Diese Regelung gilt unabhängig davon, ob seiner/ihrer Beschäftigung ein Arbeits- oder Dienstvertrag zugrunde liegt.

Das gesamte Urteil finden Sie hier.

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