LAG Baden-Württemberg: Persönlichkeitsrechtsverletzung durch Verwendung von Mitarbeiterbildern nach Kündigung | 27.07.2023 (Az. 3 Sa 33/22)

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Dieser Artikel beantwortet Ihnen folgende Fragen:

Dürfen Unternehmen Bild- und Videoaufnahmen von Mitarbeitenden auch nach deren Ausscheiden verwenden?
Müssen Mitarbeitende nach ihrem Ausscheiden eine einmal erteilte Einwilligung zur Verwendung der Bild- und Videoaufnahmen aktiv widerrufen?
Begründet jede verspätete Auskunftserteilung nach Art. 15 DSGVO einen Schadensersatzanspruch?

Was war passiert?

Der Kläger war bis Ende 2019 bei der Beklagten als Werbetechniker angestellt. Während seiner Anstellung führte er Schulungen für interne und externe Mitarbeiter:innen durch, bei denen er sein spezielles Fachwissen im Bereich Folierung an die Teilnehmenden weitergab.

Während des laufenden Arbeitsverhältnisses fertigte die Beklagte in Absprache mit dem Kläger zahlreiche Fotos von ihm bei der Arbeit an. Außerdem ließ die Beklagte ein etwa vierminütiges Werbevideo erstellen, in dem der Beklagte als Schulungsleiter bei seiner Tätigkeit gezeigt wurde. Die Beklagte nutzte dieses Foto- und Videomaterial, um ihre Dienstleistungen auf der Firmenwebsite zu bewerben.

Im Mai 2019 begann der Kläger eine neue Stelle bei einem konkurrierenden Unternehmen. Nachdem der Kläger das Unternehmen verlassen hatte, verweigerte die Beklagte die Löschung der besagten Bilder und des Videos, trotz mehrmaliger Aufforderungen des Klägers, dies zu tun.

Infolgedessen reichte der Kläger Klage ein. Er verlangte Schadensersatz einerseits für die Verwendung seiner Bild- und Videoaufnahmen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses und andererseits aufgrund der verspäteten erfolgten Auskunft nach Art. 15 DSGVO.

Entscheidung des LAG

1.

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg hat entschieden, dass die Beklagte das Persönlichkeitsrecht des Klägers verletzte und sich schadensersatzpflichtig machte, da sie die Bild- und Videoaufnahmen nicht von ihrer Homepage entfernte.

Das Arbeitsgericht Pforzheim hatte als 1. Instanz diesbezüglich einen Schadensersatzanspruch von 3.000 EUR festgelegt. Das LAG erhöhte diesen Betrag erheblich und sprach dem Kläger einen Schadensersatzanspruch von 10.000 EUR zu. Dies mit der Begründung, dass das Bildmaterial des Klägers in Video- und Fotoaufnahmen nach seinem Ausscheiden aus der Firma ohne seine Zustimmung (weiter)verwendet wurde.

In diesem Zusammenhang führte das LAG aus:

„Im vorliegenden Fall liegt eine erhebliche Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Klägers vor. Auch wenn dieser zunächst mit der Anfertigung von Bildnissen einverstanden war und diese möglicherweise aktiv befördert hat, war für die Beklagte ohne Weiteres ersichtlich, dass dies jedenfalls ab dem Zeitpunkt des Ausscheidens des Klägers und seines Wechsels zu einem Konkurrenzunternehmen nicht mehr der Fall war.“

Das Gericht begründete die Höhe des Schadensersatzanspruchs vor allem damit, dass die Beklagte die Bilder des Klägers über die Dauer seines Arbeitsverhältnisses hinaus für die Förderung ihrer eigenen kommerziellen Interessen genutzt hatte. Nach dem Ausscheiden des Klägers bot die Beklagte nämlich Schulungen an und warb unter anderem mit dem ehemaligen Mitarbeiter für diese. Dadurch erzielte sie einen gewissen Werbeeffekt, der bei der Festlegung der Entschädigungshöhe berücksichtigt wurde.

2.

Hinsichtlich des immateriellen Schadensersatzes aufgrund der verspäteten Auskunftserteilung gemäß der DSGVO entschied das LAG jedoch zugunsten der Beklagten. Das Gericht stellte fest, dass der Kläger nicht nachweisen konnte, dass ihm aufgrund der verspäteten Auskunftserteilung ein immaterieller Schaden entstanden ist. Der bloße Verstoß gegen die DSGVO-Vorschriften reiche jedoch nicht aus, um einen Schadensersatzanspruch nach Art. 82 DSGVO zu begründen.

3.

Das LAG hat jedoch die Revision zugelassen, was bedeutet, dass das LAG-Urteil nicht rechtskräftig ist und nun der BAG über den Fall zu entscheiden hat. Es bleibt also spannend.

Praxishinweis

Dieses Urteil unterstreicht die Bedeutung der Einholung von Einwilligungen, wenn Unternehmen Foto- und Videoaufnahmen von ihren Mitarbeitenden verwenden möchten. Die Einwilligung, die zu Beginn des Arbeitsverhältnisses eingeholt wurde, erlischt automatisch bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses. In solchen Fällen sind Arbeitnehmer:innen nicht verpflichtet, ihre Einwilligung aktiv zu widerrufen. Stattdessen obliegt es den Unternehmen, sämtliche Aufnahmen der ausgeschiedenen Mitarbeitenden unaufgefordert und spätestens zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus ihren Werbemedien zu entfernen.

Eine erneute Verwendung dieser Aufnahmen ist nur dann möglich, wenn die Mitarbeitenden einer solchen Nutzung erneut ausdrücklich zustimmen. Dies bedeutet, dass Unternehmen nach dem Ausscheiden eines Mitarbeiters oder einer Mitarbeiterin nicht ohne deren erneute Zustimmung auf bereits erstelltes Bildmaterial zurückgreifen dürfen.

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