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Grenzenlose Freiheit?

Meinungsfreiheit im Arbeitsrecht unter der Lupe

Dieser Artikel beantwortet Ihnen folgende Fragen:

Welche Äußerungen genießen generellen Schutz im Rahmen der Meinungsfreiheit?
Haben Mitarbeitende in ihrer Freizeit das Recht, sich politisch nach eigenem Ermessen zu äußern?
Welche Maßnahmen können von Unternehmen ergriffen werden, wenn Mitarbeitende die Grenzen der Meinungsfreiheit überschreiten?

Die Meinungsfreiheit gilt nicht nur im öffentlichen Raum, sondern auch im Kontext des Arbeitsverhältnisses. Doch wie so oft im Leben, hat auch die Meinungsfreiheit ihre Grenzen – besonders im Arbeitsrecht. Dieser Blogbeitrag beleuchtet, wie die Meinungsfreiheit in der Arbeitswelt ausgeübt werden kann und welche Einschränkungen dabei zu beachten sind.

Grundprinzipien der Meinungsfreiheit

Die Meinungsfreiheit ist ein grundlegendes Menschenrecht, das die Freiheit eines jeden Einzelnen schützt, seine Gedanken, Meinungen und Überzeugungen ohne Angst vor staatlicher Zensur oder Repressalien auszudrücken. Sie bildet das Fundament einer demokratischen Gesellschaft und ermöglicht einen offenen und vielfältigen Meinungsaustausch, der zur Meinungsbildung beiträgt.

Art 5 Grundgesetz
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten […]

Exkurs: Tatsachenbehauptungen und Werturteil

Im Zusammenhang mit der Meinungsfreiheit ist es wesentlich, zwischen Tatsachenbehauptungen und Werturteilen zu unterscheiden.
Tatsachenbehauptungen sind Aussagen, die objektiv überprüfbar sind und sich auf nachweisbare Fakten stützen. Sie sollten wahrheitsgetreu und genau sein, da Falschaussagen oft Konsequenzen nach sich ziehen können, insbesondere wenn sie schädigend sind.

Im Gegensatz dazu sind Werturteile subjektive Äußerungen, die auf persönlichen Überzeugungen und Werthaltungen basieren. Diese Urteile beziehen sich auf moralische, ethische, oder ästhetische Einschätzungen und sind oft nicht objektiv überprüfbar.
Während Werturteile grundsätzlich von der Meinungsfreiheit gedeckt sind, kann man sich für bewusst falsche Tatsachenbehauptungen nicht auf die freie Meinungsäußerung aus Art. 5 Abs. 1 GG berufen.

Bei der Frage, ob eine Äußerung ihrem Schwerpunkt nach als Tatsachenbehauptung oder als Werturteil anzusehen ist, kommt es entscheidend auf den Gesamtkontext der fraglichen Äußerung an. So hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) etwa entschieden, dass die Bezeichnungen des Vorgesetzten als „unterbelichtet“ und „Frauen- und Ausländerhasser“ im Gesamtkontext ein Werturteil darstellen kann und somit von der Meinungsfreiheit umfasst sind, auch wenn der Arbeitnehmer nicht den Nachweis erbringen konnte, dass sie zutrafen (BAG Urteil vom 05.12.2019, Az. 2 AZR 240/19).

Meinungsfreiheit im Arbeitsrecht

Das BAG vertritt die Ansicht, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung grundsätzlich vollumfänglich auch innerhalb des Arbeitsverhältnisses gilt. Das BAG argumentiert, dass die herausragende Bedeutung des Grundrechts der Meinungsfreiheit nicht mit einer Beschränkung oder Unterdrückung der Meinungsäußerungen in der betrieblichen Arbeitswelt vereinbar wäre.

Dies bedeutet, dass Arbeitnehmer:innen das Recht haben, ihre Meinung über ihre Arbeitgeber:innen, Kollegen und Kolleginnen oder die Arbeitsbedingungen kundzutun. Dies kann in Form von Kritik, Beschwerden oder Vorschlägen geschehen.

Nach dem BAG besteht „Der Grundrechtsschutz […] dabei unabhängig davon, welches Medium der Arbeitnehmer für seine Meinungsäußerung nutzt und ob diese rational oder emotional, begründet oder unbegründet ist. Vom Grundrecht der Meinungsfreiheit umfasste Äußerungen verlieren den sich daraus ergebenden Schutz selbst dann nicht, wenn sie scharf oder überzogen geäußert werden.“ (BAG Urteil vom 05.12.2019, Az. 2 AZR 240/19)

Grenzen der Meinungsfreiheit

Die Meinungsfreiheit gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Sie wird durch andere Rechte und allgemeine Gesetze begrenzt, insbesondere durch das Recht der persönlichen Ehre. Das Recht auf persönliche Ehre ist nicht nur im Strafgesetzbuch verankert, sondern auch in Art. 5 Abs. 2 GG. Dies bedeutet, dass die Meinungsfreiheit ihre Grenzen findet, wenn sie die Ehre und den Ruf einer Person verletzt. Daher ist es wichtig zu beachten, dass beleidigende, diffamierende oder diskriminierende Äußerungen nicht durch die Meinungsfreiheit abgedeckt sind.

Sachbezogene Auseinandersetzungen sind erlaubt

Grundsätzlich ist jedoch erlaubt, sachbezogene Auseinandersetzungen zu führen. Das bedeutet, dass Arbeitnehmer:innen durchaus kritische Bemerkungen über ihre Arbeitgeber:innen oder Vorgesetzten äußern dürfen, solange diese in einem angemessenen Rahmen bleiben. Ein Beispiel, das vor dem Bundesverfassungsgericht verhandelt wurde, zeigt, dass selbst der Vorwurf, jemand sei ein “Ausbeuter,” nicht automatisch als Schmähkritik gilt (BVerfG, Beschluss vom 30.05.2018, Az. 1 BvR 1149/17).

Schmähkritik ist eine Form von diffamierender Kommunikation, die gezielt darauf abzielt, eine Person oder Gruppe durch beleidigende, erniedrigende oder verleumderische Aussagen zu diffamieren. Sie zeichnet sich durch die Absicht aus, den Ruf und das Ansehen der Zielperson zu schädigen, anstatt legitime Kritik oder Meinungsäußerungen zu äußern. Schmähkritik ist grundsätzlich nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt.

Wichtig ist also, dass die Auseinandersetzung in der Sache bleibt und nicht die Diffamierung der Person im Vordergrund steht. Kritik muss auf konkreten Fakten und Sachverhalten basieren, anstatt persönliche Angriffe zu beinhalten.

Politische Äußerungen

Die Frage, wie Arbeitgeber:innen auf politische Äußerungen ihrer Mitarbeitenden reagieren, gewinnt besondere Relevanz in Zeiten, in denen politische Spannungen und kontroverse Themen wie Corona, Rechtsextremismus oder der Israel-Palästina-Konflikt die öffentliche Diskussion beherrschen.

Bei privaten Unternehmen gilt in der Regel das Prinzip der Meinungsfreiheit. Das bedeutet, dass jeder Arbeitnehmende in seiner Freizeit politisch aktiv sein und seine Meinungen äußern kann, solange dies den Betriebsfrieden nicht stört. Private Arbeitgeber:innen sind in der Regel gehalten, die politischen Äußerungen und Aktivitäten ihrer Mitarbeitenden zu akzeptieren, solange sie die Arbeitsumgebung und die Geschäftsinteressen des Unternehmens nicht beeinträchtigen.

Allerdings gibt es Ausnahmen. Arbeitgeber:innen können Maßnahmen ergreifen, wenn die politischen Äußerungen oder Aktivitäten eines Mitarbeitenden tatsächlich den Betriebsfrieden stören oder das Image des Unternehmens negativ beeinflussen.
Öffentliche Arbeitgeber:innen, insbesondere solche mit hoheitlichen Aufgaben, haben mehr Spielraum, um die politische Betätigung ihrer Mitarbeiter:innen einzuschränken. Dies liegt daran, dass die Wahrung des Vertrauens in die Neutralität und Integrität solcher Institutionen von entscheidender Bedeutung ist. Wenn die politischen Aktivitäten der Mitarbeitenden im Widerspruch zu den Interessen oder Zielen der Organisation stehen, können Arbeitgebende Maßnahmen ergreifen, um diese Aktivitäten einzuschränken oder zu regulieren. Dennoch müssen öffentliche Arbeitgeber:innen sicherstellen, dass sie die Grundrechte ihrer Mitarbeitenden respektieren und dass die getroffenen Maßnahmen verhältnismäßig sind.

Besondere Vorsicht ist geboten, wenn es um Mitarbeitende von sogenannten Tendenzbetrieben geht. In solchen Unternehmen oder Organisationen, die eine bestimmte politische oder ideologische Ausrichtung haben, wie beispielsweise Zeitungen, Kirchen, politische Parteien oder Gewerkschaften, sind Mitarbeitende in der Regel verpflichtet, sich so zu verhalten, dass es nicht im Widerspruch zur Ausrichtung des Unternehmens steht und die betrieblichen Interessen nicht erheblich beeinträchtigt.

Was für Konsequenzen drohen?

Wenn Mitarbeiter:innen die Grenzen der Meinungsfreiheit am Arbeitsplatz überschreiten und dadurch den Betriebsfrieden gefährden oder die betrieblichen Interessen nachhaltig beeinträchtigen, sind Unternehmen in der Regel berechtigt, Maßnahmen zu ergreifen. Diese Maßnahmen können von einer Abmahnung bis hin zur Kündigung reichen, abhängig von der Schwere des Verstoßes und den individuellen Umständen des Falls.

Im Allgemeinen wird empfohlen, dass Arbeitgeber:innen zunächst eine Abmahnung aussprechen, um den Mitarbeitenden die Gelegenheit zu geben, ihr Verhalten zu korrigieren. Eine Abmahnung soll den Mitarbeitenden klar machen, dass ihr Verhalten inakzeptabel ist und dass weitere Verstöße Konsequenzen haben werden. Nur in besonders schwerwiegenden Fällen, wie rassistischen oder antisemitischen Beleidigungen, kann auf die vorherige Abmahnung verzichtet werden. In solchen extremen Situationen können Arbeitgeber:innen in Erwägung ziehen, eine fristlose Kündigung auszusprechen.

Einige Beispiele aus der Rechtsprechung, bei denen die Gerichte eine fristlose Kündigung als gerechtfertigt erachtet haben:

• Ein Arbeitnehmer hat die betrieblichen Verhältnisse und Vorgehensweisen des Arbeitgebers mit dem nationalsozialistischen Terrorsystem oder gar mit den in Konzentrationslagern begangenen Verbrechen verglichen (BAG, Urteil vom 24. 11. 2005, Az. 2 AZR 584/04

• Ein Arbeitnehmer hat rassistische und menschenverachtende Äußerungen getätigt, in dem er die Wand der Betriebstoilette unter anderem mit Äußerungen wie „Nicht jeder Nazi hat eine Glatze! Aber jedem Türken fehlt die Vorhaut!- Besser Vorhaut als Gehirn –„ und „Aus den Türken machen wir Fernwärme!“ beschriftete (LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 25.03.2009, Az. 2 Sa 94/08)

• Ein Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes hat Äußerungen im Zusammenhang mit den Anschlägen vom 11. September getätigt, in dem er in einer außerdienstlich verfassten und unter andere, im Internet verbreiteten Pressemitteilung die Anschläge des 11. September 2001 als „längst überfällige Befreiungsaktion” betitelte (LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 06.08.2002, Az. 2 Sa 150/02)

Fazit

Die Meinungsfreiheit im Arbeitsrecht ist ein wichtiges Recht, das die offene Kommunikation und den Meinungsaustausch fördert. Arbeitnehmende haben das Recht, Kritik zu äußern und auch ihre Meinung frei zu äußern, solange dies sachbezogen und respektvoll geschieht. Dennoch müssen die Grenzen dieses Rechts beachtet werden, da die Meinungsfreiheit nicht dazu benutzt werden darf, die Ehre und den Ruf von Personen zu verletzen. Arbeitnehmende sollten sich bewusst sein, dass beleidigende oder diskriminierende Äußerungen arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen können. Das Gleichgewicht zwischen Meinungsfreiheit und dem Schutz der persönlichen Ehre ist entscheidend, um ein respektvolles und produktives Arbeitsumfeld zu schaffen.

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