Verstoß gegen das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz

Unternehmen unter Beschuss
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Menschenrechtsorganisationen in Düsseldorf haben beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) Beschwerde gegen die Unternehmen Amazon und Ikea eingereicht. Sie werfen den beiden Händlern vor, gegen das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz zu verstoßen. Es handelt sich um die erste Beschwerde auf der Grundlage dieses seit Anfang des Jahres geltenden Gesetzes.

Beteiligt sind die Organisationen FEMNET, European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) und der National Garment Workers Federation (NGWF) aus Bangladesch.

Wer sind die beteiligten Organisationen?

FEMNET ist eine deutsche Organisation, die sich für die Rechte von Frauen in der globalen Textil- und Bekleidungsindustrie einsetzt. Ihr Ziel ist es, Arbeitsbedingungen und Einkommen der Frauen in den Produktionsländern zu verbessern und faire Handelspraktiken zu fördern.

Das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) ist eine in Deutschland ansässige Menschenrechtsorganisation, die sich für die Durchsetzung von Menschenrechten auf der ganzen Welt einsetzt. Sie arbeiten daran, transnationale Unternehmen und Regierungen zur Verantwortung zu ziehen, wenn Menschenrechtsverletzungen in globalen Lieferketten auftreten.

Der National Garment Workers Federation (NGWF) ist eine Gewerkschaft in Bangladesch, die sich für die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Bekleidungsindustrie einsetzt. Der NGWF kämpft für bessere Löhne, sichere Arbeitsbedingungen, den Schutz von Arbeitnehmerrechten und die Stärkung der Gewerkschaften.

Die Organisationen erheben zum einen Vorwürfe gegen die Händler, die den Bangladesh Accord, ein Abkommen zur Verbesserung der Sicherheit in den Textilfabriken des Landes, nicht unterzeichnet haben. Die Unterzeichnung sei nach Ansicht der Organisationen unerlässlich, um die menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten gemäß dem deutschen Lieferkettengesetz zu erfüllen.

Der Bangladesh Accord

Der Bangladesh Accord, auch bekannt als “The Accord on Fire and Building Safety in Bangladesh”, wurde 2013 als Reaktion auf den verheerenden Einsturz des Rana Plaza-Gebäudes in Bangladesch ins Leben gerufen. Dieses tragische Ereignis am 24. April 2013 führte zum Verlust von über 1.100 Menschenleben und verletzte mehr als 2.500 weitere. Der Hauptzweck des Accord bestand darin, ein unabhängiges Inspektions- und Überwachungssystem zu etablieren, um strukturelle Mängel und Sicherheitsrisiken in den Fabriken zu identifizieren und zu beseitigen.

Durch den Beitritt zum Accord verpflichten sich Unternehmen dazu, Inspektionen finanziell zu unterstützen, die Ergebnisse offenzulegen und Reparatur- sowie Renovierungsmaßnahmen zu fördern. Zusätzlich sollen die Gewerkschaftsrechte in den Fabriken gestärkt werden.

Der Bangladesh Accord war ein bedeutender Schritt zur Verbesserung der Sicherheitsbedingungen und Arbeitsstandards in der Bekleidungsindustrie in Bangladesch. Er diente als wichtiges Instrument, um strukturelle Veränderungen anzustoßen und nachhaltigere Produktionsbedingungen zu fördern.

Zum anderen seien Sicherheitsmängel und Verstöße gegen das Arbeitsrecht in Fabriken, die Amazon und Ikea beliefern, festgestellt worden. Darüber hinaus steht der Verdacht im Raum, dass die Vereinigungsfreiheit in den Zulieferfabriken nicht gewährleistet ist und effektive Beschwerdeverfahren (Whistleblowing) fehlen. 

Es bleibt jedoch unklar, welche Konsequenzen die Beschwerden für die Unternehmen haben werden. Gemäß dem deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz haben die Organisationen kein direktes Klagerecht. Dennoch hat das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) erklärt, dass es jede Beschwerde sorgfältig und individuell prüfen wird.

Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz

Was regelt das neue Gesetz?

Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, umgangssprachlich auch bekannt als Lieferkettengesetz, umfasst umfangreiche neue Pflichten für Unternehmen, um Menschenrechtsverletzungen entlang ihrer Lieferkette zu vermeiden. Das Gesetz trat am 1. Januar 2023 in Kraft und betrifft Unternehmen unabhängig von ihrer Rechtsform, sofern ihre Hauptverwaltung, Hauptniederlassung oder ihr satzungsgemäßer Sitz in Deutschland liegt.

Welche Unternehmen müssen sich an das Gesetz halten?

Der Anwendungsbereich des Gesetzes umfasst zunächst Unternehmen mit mindestens 3.000 Beschäftigten und wird ab 2024 auf Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern erweitert. Auch kleinere Unternehmen müssen sich mit den Anforderungen des Gesetzes auseinandersetzen und entsprechende Maßnahmen in ihren Zuliefererverträgen implementieren.

Wozu genau verpflichtet das Gesetz die Unternehmen?

Das Lieferkettengesetz legt bestimmte Schutzgüter fest, die Unternehmen beachten müssen, darunter Menschenrechte und Umweltaspekte. Die Unternehmen sind verpflichtet, angemessene Sorgfaltspflichten in Bezug auf diese Schutzgüter zu beachten. Dazu gehören die Einrichtung eines Risikomanagementsystems, die Durchführung regelmäßiger Risikoanalysen, die Festlegung einer betriebsinternen Zuständigkeit für den Menschenrechtsschutz, die Umsetzung von Präventionsmaßnahmen und die Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens.

Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz verlangt von den Unternehmen, angemessene Maßnahmen zu ergreifen, um menschenrechtsbezogene Risiken in der Lieferkette zu verhindern. Die Unternehmen müssen unter anderem nachweisen, dass sie angemessene Maßnahmen ergriffen haben, um Menschenrechtsverstöße zu vermeiden.

Was droht bei Verstößen?

Bei Verstößen gegen die Vorgaben des Gesetzes können Bußgelder verhängt werden. Die Höhe der Bußgelder variiert je nach Art des Verstoßes und kann bis zu 400 Millionen Euro oder 2 Prozent des durchschnittlichen Jahresumsatzes betragen.

Behördliche Kontrolle und Durchsetzung

Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) ist gemäß § 19 Abs. 1 S. 1 LkSG für die Überwachung und den Erlass entsprechender Maßnahmen zuständig. Zu den möglichen Reaktionen der Behörde gehört die Verhängung von Bußgeldern gemäß § 24 LkSG sowie der Ausschluss von der Vergabe öffentlicher Aufträge gemäß § 22 LkSG.


Ausblick

In Anbetracht der aktuellen Entwicklungen ist es zu erwarten, dass weitere Beschwerden wegen Verstößen gegen das Gesetz eingehen werden. Diese Beschwerden könnten zu ersten Ermittlungen und Maßnahmen seitens der zuständigen Behörden führen. Angesichts der zunehmenden Sensibilisierung und des öffentlichen Drucks werden Unternehmen verstärkt in die Verantwortung genommen, ihre Lieferketten auf Einhaltung der menschenrechtlichen und ökologischen Standards zu überprüfen und Verstöße zu vermeiden.

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