Dürfen Unternehmen über ihre Gerichtsverfahren berichten?

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Dieser Artikel beantwortet Ihnen folgende Fragen:

Was versteht man gemäß dem UWG unter vergleichender Werbung?
Unter welchen Voraussetzungen ist vergleichende Werbung erlaubt oder untersagt?
Wann wird eine Pressemitteilung als “herabsetzend” betrachtet?

BGH 07.03.2019 (Az. I ZR 254/16) Der Bundesgerichtshof (BGH) sah sich mit der Frage konfrontiert, ob Unternehmen auf ihren eigenen Websites über die Gerichtsverfahren mit Mitbewerbern oder Mitbewerberinnern berichten dürfen.

Sachverhalt

Die Parteien im zugrundeliegenden Fall waren Konkurrenten im Vertrieb von Knochenzementen. Die Beklagte veröffentlichte eine Pressemitteilung, in der sie wahrheitsgetreu erklärt, dass die Klägerin aufgrund eines Urteils des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt am Main mit sofortiger Wirkung die Herstellung und den Vertrieb von Knochenzementen einstellen musste, da sie unrechtmäßig Betriebsgeheimnisse der Beklagten verwendet habe.

Die Klägerin sah darin eine unerlaubte Herabsetzung und reichte Klage ein. Sowohl das Landgericht Hamburg als auch das OLG Hamburg hatten der Klage unter dem Gesichtspunkt einer unzulässigen vergleichenden Werbung nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) stattgegeben.

Original Pressemitteilung aus den Gerichtsakten
Original Pressemitteilung aus den Gerichtsakten

Entscheidungsgründe

Anders jedoch der BGH: Die Revision der Beklagten hatte Erfolg und führte zur Abweisung der Klage. Zwar bejahte der BGH das Vorliegen einer „vergleichenden Werbung“. Allerdings stellten die angegriffenen Behauptungen in der Pressemitteilung der Beklagten nach Ansicht des BGH keine unlautere Herabsetzung dar.

Was ist vergleichende Werbung?

Vergleichende Werbung ist eine Marketingstrategie, bei der die Produkte oder Dienstleistungen eines Unternehmens direkt mit denen eines Konkurrenten verglichen werden. Ziel ist es, die Vorzüge des beworbenen Produkts hervorzuheben und potenzielle Kunden von dessen Überlegenheit zu überzeugen.

Allerdings unterliegt vergleichende Werbung strengen rechtlichen Vorgaben:

Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb
§ 6 Vergleichende Werbung


(1) Vergleichende Werbung ist jede Werbung, die unmittelbar oder mittelbar einen Mitbewerber oder die von einem Mitbewerber angebotenen Waren oder Dienstleistungen erkennbar macht.

(2) Unlauter handelt, wer vergleichend wirbt, wenn der Vergleich

1. sich nicht auf Waren oder Dienstleistungen für den gleichen Bedarf oder dieselbe Zweckbestimmung bezieht,

2. nicht objektiv auf eine oder mehrere wesentliche, relevante, nachprüfbare und typische Eigenschaften oder den Preis dieser Waren oder Dienstleistungen bezogen ist,

3. im geschäftlichen Verkehr zu einer Gefahr von Verwechslungen zwischen dem Werbenden und einem Mitbewerber oder zwischen den von diesen angebotenen Waren oder Dienstleistungen oder den von ihnen verwendeten Kennzeichen führt,

4. den Ruf des von einem Mitbewerber verwendeten Kennzeichens in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt,

5. die Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers herabsetzt oder verunglimpft oder

6. eine Ware oder Dienstleistung als Imitation oder Nachahmung einer unter einem geschützten Kennzeichen vertriebenen Ware oder Dienstleistung darstellt.

Der Zweck des § 6 UWG besteht darin, einen fairen und lauteren Wettbewerb zu gewährleisten. Dieser Paragraph legt die Rahmenbedingungen für vergleichende Werbung fest und soll sicherstellen, dass solche Praktiken transparent, objektiv und im Interesse der Verbraucher erfolgen.

In den Entscheidungsgründen führte das Gericht wie folgt zur vergleichenden Werbung aus:

Die Beklagte stellt in der beanstandeten Pressemitteilung ihre eigenen Knochenzementprodukte denen der Klägerin gegenüber und benennt sowohl ihren Wettbewerber als auch die austauschbaren Produkte namentlich.

Unzulässig wegen rein unternehmensbezogener oder persönlicher Wertung?

Die vergleichende Werbung ist dann zulässig, wenn sie auf objektiven Kriterien basiert. Gemäß § 6 Absatz 2 Nr. 2 UWG sind beispielsweise rein unternehmensbezogene oder persönliche Wertungen unzulässig.

Dies bedeutet, dass rein subjektive oder auf das Unternehmen bezogene Bewertungen eines Konkurrenten in Bezug auf das Produkt nicht erlaubt sind. Diese Regelung soll sicherstellen, dass Verbraucher aus vergleichender Werbung die erforderlichen Informationen erhalten, um sich für ein bestimmtes Produkt anstelle eines konkurrierenden Angebots zu entscheiden.

Entgegen der Argumentation der Klägerin war der BGH bezüglich der veröffentlichten Pressemitteilung der Ansicht, dass diese nicht nur rein unternehmensbezogene oder persönliche Wertungen enthalte. Einerseits wurden konkrete Produkte benannt. Andererseits stellt der unbestrittene Fakt, dass die Rezepturen und Betriebsgeheimnisse der Beklagten widerrechtlich verwendet wurden, keine rein unternehmerischen Tatsachen dar.

Unzulässig wegen „Herabsetzung“?

Nach § 6 Abs. 2 Nr. 5 UWG ist vergleichende Werbung ferner dann unzulässig, wenn die Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers herabsetzt oder verunglimpft werden.

Auf diesen Unzulässigkeitstatbestand hatte sich die Klägerin ebenfalls berufen. Allerdings wurde der Einwand der Klägerin, dass die Beklagte sie durch die Pressemitteilung in unzulässiger Weise herabsetzt oder verunglimpft, vom BGH nicht bestätigt. Bei der Gesamtwürdigung, ob die Behauptungen über den Mitbewerber zulässig oder herabsetzend sind, komme es auf die Umstände des Einzelfalls an, wie insbes. den Inhalt und die Form der Äußerung, ihren Anlass und den Zusammenhang, in dem sie erfolgt ist.

Laut BGH gäbe es keine vorliegend besonderen Umstände, die die beanstandeten Behauptungen als unangemessen abfällig oder unsachlich erscheinen ließen. Die Pressemitteilung beschränkt sich auf Fakten, die unstreitig zutreffend sind. Zudem gab es durch die Entscheidung des OLG Frankfurt am Main einen zeitnahen konkreten Anlass für die Mitteilung dieser Umstände. Überdies hatte die Beklagte als unmittelbar Betroffene der Verletzungshandlung ein berechtigtes Interesse daran, potenzielle Kunden zu informieren.
Im Ergebnis durfte die Beklagte also über die Umstände des gerichtlich erwirkten Verbotes gegenüber der Klägerin berichten und die Pressemitteilung veröffentlichen.

Praxishinweis

Das Urteil des BGH verdeutlicht, dass unter Berücksichtigung des konkreten Einzelfalls eine sachliche Pressemitteilung über nachweislich zutreffende Umstände, wie etwa ein gerichtliches Verbot gegen Mitbewerber:innen, zulässig sein kann, sofern der oder die Erklärende und/oder die Empfänger ein berechtigtes Interesse an der Information haben. Es ist jedoch geboten, Vorsicht walten zu lassen, da die Grenzen zwischen einer zulässigen vergleichenden Werbung und einer nach § 6 Abs. 2 UWG unzulässigen Werbung unscharf und deshalb nicht immer eindeutig rechtlich zu bewerten sind.

Das gesamte Urteil finden Sie hier.

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