Abgelehnte Bewerbung – Schadensersatz nach DSGVO möglich?

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Dieser Artikel beantwortet Ihnen folgende Fragen:

Unter welchen Umständen kann der DSGVO-Auskunftsanspruch als rechtsmissbräuchlich gelten?
Besteht die Möglichkeit, einen Schadensersatzanspruch wegen Altersdiskriminierung aufgrund von Rechtsmissbrauch abzulehnen?
Kann die Tatsache, dass eine Person bereits mehrere Klagen gleicher Art eingereicht hat, als Indiz für Rechtsmissbrauch gewertet werden?

LAG Schleswig-Holstein 21.02.2023 (Az. 1Sa 148/22)

 Ist es tatsächlich so einfach, ein Unternehmen wegen Altersdiskriminierung und einem Verstoß gegen die DSGVO zu verklagen, nachdem die Bewerbung abgelehnt wurde? Ein kürzlich ergangenes Urteil zeigt, dass dies keineswegs immer der Fall ist.

Was war passiert?

Im vorliegenden Fall machte der Kläger Ansprüche auf Entschädigung wegen Diskriminierung sowie auf Grundlage der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) geltend. Die Beklagte vertrieb Produkte in verschiedenen Kategorien über einen Online-Shop und eCommerce-Marktplätze. Bisher richtete sich ihr Vertrieb ausschließlich an Gewerbetreibende und Wiederverkäufer. Die Beklagte plante jedoch, ihre Aktivitäten auf den Endverbrauchermarkt auszuweiten und schaltete eine Stellenanzeige für einen “Customer Service (m/w/d)”.

Die Beklagte präsentierte sich in der Stellenanzeige als “junges Team”, das Freude daran habe zu lernen und erfolgreich zu sein. Zusätzlich wurde dem Bewerber versprochen, dass die Einarbeitung durch ein “junges und professionelles Team” erfolgen würde. Der Kläger bewarb sich auf diese Stelle und erhielt von dem Unternehmen eine Absage.
Wenige Wochen später forderte der Kläger per E-Mail eine Entschädigung wegen Altersdiskriminierung von der Beklagten, welche er auf 9.000 EUR bezifferte. Er kündigte an, Klage zu erheben, sollte die Beklagte nicht 1.500 EUR zahlen. Eine Einladung zum Vorstellungsgespräch lehnte der Kläger ab.

Ebenfalls verlangte der Kläger per E-Mail “umfassende und lückenlose” Auskunft gemäß Art. 15 Abs. 1 DSGVO. Am gleichen Tag reichte er per Telefax beim Arbeitsgericht die vorliegende Klage ein. Das Unternehmen reagierte etwa eine Woche später auf das Auskunftsersuchen. Der Kläger war jedoch der Ansicht, dass das Unternehmen dem Anspruch nicht vollständig nachgekommen sei. Aus diesem Grund forderte er Schadensersatz gemäß Artikel 82 Abs. 1 DSGVO in Höhe von 3.000 EUR. Während des Prozesses wurde zudem bekannt, dass der Kläger in der Vergangenheit bereits mehrere ähnlich gelagerte Verfahren geführt hatte.

Wie Sie eine Auskunftsanfrage korrekt beantworten, haben wir übrigens hier beschrieben.

Die Entscheidung des Gerichts

Das Gericht bejahte zwar einen Verstoß gegen Art. 15 Abs. 1 DSGVO, da die Beklagte dem Kläger nicht sämtliche der in dieser Vorschrift vorgeschriebenen Auskünfte erteilt hatte.

Allerdings lehnte es sowohl den datenschutzrechtlichen Entschädigungsanspruch nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO als auch den Schadensersatzanspruch wegen der behaupteten Altersdiskriminierung ab. Dies begründete das Gericht mit Rechtsmissbrauch.

Rechtsmissbrauch ist anzunehmen, sofern diese Person sich nicht beworben hat, um die ausgeschriebene Stelle zu erhalten, sondern es ihr darum ging, nur den formalen Status als Bewerber im Sinne von § 6 Abs. 1 S. 2 AGG zu erlangen, mit dem ausschließlichen Ziel, Ansprüche auf Entschädigung und/oder Schadensersatz geltend zu machen.

– so das LAG gestützt auf die ständige BAG-Rechtsprechung.

Das Verhalten des Beklagten machte im vorliegenden Fall offensichtlich, dass er kein ernsthaftes Interesse an der ausgeschriebenen Stelle hatte und eine Absage provozierte. Eine Rolle spielte hierbei auch der Umstand, dass der Kläger in einer Vielzahl von Fällen rechtsmissbräuchlich Entschädigungsklagen nach dem AGG erhoben hatte. Auch dem Entschädigungsanspruch stehe das rechtsmissbräuchliche Verhalten des Klägers entgegen.

“Zu den Fällen des Rechtsmissbrauchs gehören auch die Konstellationen, in denen ein Recht ausgeübt wird als Vorwand für die Erreichung vertragsfremder oder unlauterer Zwecke” – führte das LAG aus.

Nach Ansicht des Gerichts diente die Geltendmachung des Auskunftsanspruchs nur dazu, die Beklagte zur Zahlung einer Entschädigung zu veranlassen. Das Gericht stellte vor allem darauf ab, dass der Kläger seine Auskunftsansprüche zeitgleich mit der Entschädigungsklage geltend gemacht hatte. Überdies war das Geltendmachungsschreiben offensichtlich aus anderen Schreiben zusammenkopiert. Nach dem Gericht sei offensichtlich, dass es dem Kläger mit dem Auskunftsverlangen allein darum geht, 

Druck auf die Beklagte auszuüben, um eine möglichst hohe Entschädigung zu erlangen, und dass er dieses Vorgehen systematisch betreibt. Das Auskunftsbegehren erweist sich damit zugleich als Teil einer auf die Zahlung eines möglichst hohen Geldbetrags gerichteten ‘Gesamtstrategie’ des Klägers. Das wird von der Rechtsordnung nicht gedeckt.

Fazit

Neben dem vorliegenden Urteil gibt es bereits zahlreiche Rechtsprechungen, die einen Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO aufgrund von Rechtsmissbrauch abgelehnt haben.

Eine pauschale Antwort darauf, wann eine Ablehnung wegen Rechtsmissbrauch tatsächlich gerechtfertigt ist, existiert jedoch nicht – es kommt immer auf den Einzelfall an.

Gemäß Art. 12 Abs. 5 DSGVO kann ein Antrag grundsätzlich immer dann abgelehnt werden, wenn er offenkundig unbegründet oder exzessiv ist. Im vorliegenden Fall stand dem Gericht eine Fülle von Hinweisen zur Verfügung, darunter das systematische Vorgehen des Klägers, was auf offensichtlich rechtsmissbräuchliches und exzessives Verhalten hindeutete.

Dieses Urteil verdeutlicht, dass Rechtsmissbrauch nicht toleriert wird und dass Auskunftsansprüche nicht dazu missbraucht werden dürfen, finanzielle Interessen zu verfolgen. Es sendet eine klare Botschaft aus, dass Klagen, die offensichtlich darauf abzielen, Druck auszuüben und finanzielle Vorteile zu erlangen, nicht im Einklang mit der Rechtsordnung stehen.

Das vollständige Urteil können Sie hier nachlesen.

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